Projekte


N48° 37’ 47.519” E9° 20’ 4.13”
2013
In Zusammenarbeit mit Justyna Giermakowska

 




Unsere Arbeit N48° 37’ 47.519” E9° 20’ 4.13” bezieht sich in symbolischer Hinsicht auf eine durch den eventuellen Abriss des Kunstverein Gebäudes entstehende Baustelle. Mit Hilfe von Baustellenbildsprache gestalten wir einen neuen Raum, dessen Form durch die Absteckungsmarkierungen auf dem Boden angedeutet wird. Innerhalb unseres neu konzipierten Raumes steht ein alter Diaprojektor, der ein Abbild von Erde (vor Ort abfotografiert) auf die den neugestalteten Raum durchquerende Wandfläche projiziert. Im Zentrum unseres Raumes, innerhalb von der Projektionsfläche steht eine keimendes Gossypium herbaceum – eine Baumwollpflanze, welche einen Schatten auf das projizierte Bild wirft.

Der Ausgangspunkt unserer Arbeit ist die grundliegende Definition des Raumbegriffes. Hierbei scheint uns die Bezeichnung physischer Raum offensichtlich definiert - in diesem Zusammenhang durch Holzbetonboden mit eindeutigen Spuren der zirka 90.jährigen Abnutzung, neu eingesetzten Wandflächen und Fensterfronten mit zeittypischem Raster.

Dem gegenüber steht aber auch ein mentaler Raum – ein Abstrakter, durch Theorie und eigene Vorstellung bestimmter Ort. Ein gedanklicher Raum, der ein Eintauchen in die Vergangenheit und Zukunft, erlaubt.

Lefebvre beschreibt zusätzlich den sozialen Raum, der sich auf die gesellschaftliche Praxis im sozialen Sinne bezieht. In jenem Kontext wären drei Momente von Wichtigkeit: die Wahrnehmung, das Konzipieren und das Erleben.

Alle drei Aspekte empfinden wir als ausschlaggebend für die künstlerische Auseinandersetzung mit den Räumen des Kunstvereins Nürtingen. Wir sehen es als nötig an nicht nur die rein ästhetische Konfrontation mit den Räumlichkeiten wahrzunehmen sondern den Schwerpunkt auf deren Identität zu setzen, um diesen in einer lesbaren Form darzustellen.

In unserer vorgeschlagenen Arbeit verdeutlichen wir die ortspezifische Verflechtung der vergangenen Ereignisse mit den zukünftig drohenden radikalen architektonischen Eingriffen in die physischen Gegebenheiten. Dies alles wird im gegenwätig existierenden Raum im Prozess des künstlerischen Austausches konzipiert, und erlebt.





Brand//Schutz, Mentalitäten der Intoleranz (competition project)
2013
In Zusammenarbeit mit Justyna Giermakowska











Unsere Arbeit besteht aus farbigen, unterschiedlich transparenten Folien, die im kompositorischen Zusammenspiel mit der Fassadengestaltung des Stadtspeichers an ausgewählten Fensterflächen angebracht werden. Die Farbtöne für die dadurch entstehenden 27 Farbfelder werden durch eine Studie, die wir auf den Straßen von Jena durchführen, bestimmt. Auf Grund einer Auswahl von einer Anzahl von Personen pro Stadtbezirk (100 Bewohnern aus 10 ausgewählten Bezirken – in Anbetracht der Ausländerprozentzahl ), möchten wir Bewohner von Jena fotografieren und im digitalen Verfahren einen optisch dargestellten Durchschnitt in Form von Farbflächen definieren (Augen-, Haar- und Gesichtsfarbe der im jeweiligen Stadtbezirk ausgewählten Teilnehmer).

Die endgültigen Farbtöne werden am Ende unserer Studie auf jeweils 10 Durchschnittswerte festgelegt.


(...)
Es ist uns bewusst, dass jeder zusätzlicher Eingriff in die schon existierende „Lichtskulptur“ von Ruairě O’Brien eine extrem hohe Sensibilität und glasgestalterisches Feingefühl erfordert. Unsere Antwort auf die Aufgabestellung ist eine farblich dezent akzentuierte Arbeit, die mit asymmetrischen Fensterkonstruktionen des Gebäudes sich kompositorisch präsentiert, ohne die einzigartige Oberflächenwirkung der bestehenden Fassade zu sehr zu beinträchtigen.

Hierbei wird konzeptionell das Thema Mentalitäten der Intoleranz untersucht. Wir möchten spezifisch auf eine Tendenz hinweisen, die unter anderemein Auslöser von diskriminierenden Verhaltungsweisen sein kann – dem äußeren Erscheinungsbild. Obwohl äußere Merkmale irrelevant für menschliche Werte sind, werden sie häufig zu Ursachen von Diskriminierung, laut THÜRINGEN-MONITOR:

(…) Rechtsextremismus [ist] durch die Überzeugung einer unterschiedlichen Wertigkeit von Menschen in Abhängigkeit von askriptiven Merkmalen, wie Nationalität, Hautfarbe oder ethnischer Herkunft, sowie einem auf diese Ungleichwertigkeitsvorstellungen aufbauenden Gesellschaftsbild [gekennzeichnet].

Das äußere Bild als Hierarchiekriterium wird auch in dem Text Die Abwertung der Anderen analysiert:

Menschen werden aufgrund ihrer äußerlichen ethnischen Merkmale als Schwarze, Weiße, Latinos oder Asiat/innen definiert und aufgrund dieser Merkmale werden ihnen bestimmte Charaktereigenschaften und Fähigkeiten zugewiesen. (…) Der Verweis auf natürliche, biologische und genetische Unterschiede findet sich aber nicht nur im Rassismus. Auch der Sexismus und Antisemitismus und die Biologisierung von Kultur – kulturelle Differenzen werden auf die Natur von Gruppen zurückgeführt – sind rassistisch geprägt. (…) Als ein Element der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit beziehen wir uns (…) auf einen ‚offenen, direkten Rassismus‘, welcher der äußeren Merkmale bedarf.

Wie gestalten sich die Ergebnisse unserer Studie in jeweiligen Jenaer Bezirken? In welchem Kontext steht das äußere Erscheinungsbild eines Menschen und die auf ihn dadurch augenscheinlich reflektierte Reaktionen seiner Umwelt? Diese und andere Fragestellungen sowie deren Auflösung sind uns hierbei besonders wichtig.




Quellen:
Jenaer Statistik, Quartalsbericht II/2012, Hrgs. Von Stadtverwaltung Jena, Team Statistik, 2012, S. 15

Prof. Dr. H. Best, Dr. A. Salheiser, POLITISCHE KULTUR IM FREISTAAT THÜRINGEN, Thüringen International: Weltoffenheit, Zuwanderung und Akzeptanz,

Ergebnisse des THÜRINGEN-MONITORs 2012, Institut für Soziologie Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2012 S.79

A. Zick, B. Küpper, A. Hövermann, Die Abwertung der Anderen. Eine europäische Zustandsbeschreibung zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung,
Hrgs. von N. LangenbacherFriedrich-Ebert-Stiftung, Forum Berlin, 2011, S. 45-46